CSA Interview Reihe – Stefan Gröner
Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz – es wird ständig darüber geschrieben, gesprochen und diskutiert. Und dennoch fehlt es in der Wirtschaft nach wie vor oft am grundlegenden Verständnis für diese Zukunftsthemen. Wie lässt sich das erklären?
Das Thema Digitalisierung ist zwar mittlerweile in der Wirtschaft angekommen und ihm wird auch enorme Bedeutung zugemessen. Jedoch hat nicht jede Branche, nicht jedes Unternehmen bereits eine Antwort auf die Frage gefunden, was das nun für das eigene Business bedeutet. In der Folge herrscht in den Unternehmen noch immer sehr starke Zurückhaltung. Dabei wird Künstliche Intelligenz zu einem grundlegenden Wandel führen, der vergleichbar ist mit der Elektrifizierung Anfang des 20. Jahrhunderts.
Hat es die Politik versäumt, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen? Oder haben die Betriebe die Entwicklungen lange unterschätzt?
Auf der einen Seite hat die Politik inzwischen auch die Zeichen der Zeit erkannt, zumindest im westlichen Europa und vor allem in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern wie USA oder China allerdings eher spät. Unsere Industriepolitik hat oft einen bewahrenden Charakter, damit wird jedoch nicht unbedingt innovatives, neues Denken gefördert. Gleichzeitig besteht in Deutschland und Europa ein starkes Bewusstsein um Fragen des Datenschutzes. Er ist von zentraler Bedeutung, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen und zu erhalten. Jedoch sind Daten die unabdingbare Grundlage für jede Form von maschinellem Lernen, nur auf ihrer Basis können die entstehenden Chancen genutzt werden. Die Balance in diesem sensiblen Feld ist eine große Herausforderung für politische Entscheidungsträger.
In den Unternehmen auf der anderen Seite weiss man häufig noch nicht genau, wie man nun konkret loslegen soll. Genau diese Unsicherheit lähmt die Unternehmen bei den strategischen Entscheidungen für die Zukunft. Dazu kommt, dass in Unternehmen oftmals noch keine eigene KI-Expertise vorhanden ist. Der Aufbau der entsprechenden Kompe-tenzen erscheint kostspielig – und hat einen ungewissen Ausgang. Da ist die Versuchung groß, erst einmal am Bewährten festzuhalten. Dabei wird allerdings das Tempo der technologischen Entwicklung unterschätzt – und möglicherweise der richtige Zeitpunkt verpasst. Die Weichen müssen jetzt gestellt werden. Gerade für mittelständige Unternehmen ist es jetzt an der Zeit, diese abwartende Haltung abzulegen. Ein gewisses Verständnis für technologische Entwicklungen ist zwar notwendig, um die Märkte von morgen verstehen und gestalten zu können. Auf der anderen Seite kann man gerade in kleineren Strukturen auch einmal einfach anfangen mit den ersten Erfahrungen, zum Beispiel, indem man einen einfach Routineaufgabe identifiziert und mit Hilfe von bereits entwickelten Algorithmen aus der Cloud versucht, diese effizient zu automatisieren. Das bedeutet aber gleichzeitig ein anderes Denken im Unternehmen: Der Unternehmenspatriarch wird in Zukunft nicht mehr alleine entscheiden können, was ein gutes Produkt ist. Und immer wichtiger wird auch der Blick über den Tellerrand hinaus.
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz auf die Menschen im Unternehmen?
Im Zuge des schnellen technologischem Wandel und der Digitalisierung hat sich die Arbeitswelt ja dramatisch verändert und das Arbeiten im Homeoffice bei New Work wird als neuer Standard etabliert. Gleichzeitig erfordern neue Geschäftmodelle eine umfassende innere Neuorientierung des Unternehmens, die zusammen mit einer immer stärkeren Automatisierung mit vielen Vorbehalten und Ängsten einhergeht. Und das nicht ohne Grund, denn in den nächsten Jahren werden sicherlich viele einfache Routinetätigkeiten wegfallen. Auf der anderen Seite werden auch wieder neue Fähigkeiten gefragt sein. Grundsätzlich werden wir in Zukunft aber sicherlich weniger und flexibler arbeiten – und das ist ja eigentlich nicht schlecht. Bei vielen Arbeitnehmern besteht aber natürlich Sorge, dass der eigene Arbeitsplatz gefährdet sein könnte. Und gerade wenn ein Mitarbeiter wenig Berührungspunkte und Kompetenz für Digitalthemen mitbringt, fühlt er sich möglicherweise durch eine neue Unternehmensstrategie angegriffen. Hier muss man sehr sensibel agieren. Um die Mitarbeitern bei den wichtigen Weichenstellungen der Zukunft mitzunehmen werden von den Führungskräften völlig neue Führungsansätze und Mindsets erforderlich sein, von von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aber auch neue Skills und mehr Selbstverantwortung nötig werden.
Wo stoßen Digitalisierung und KI heute immer noch an ihre Grenzen? Und welche Entwicklungen kann man sich in Zukunft noch erwarten?
Eine sich verselbstständigende KI à la Ex Machina oder Terminator ist noch in weiter Ferne. Für den Menschen wird es aber trotzdem in Zukunft immer wichtiger, sich wieder mehr auf die wahren humanen Fähigkeiten wie Mitgefühl, Kreativität oder Witz zu konzentrieren. Denn solche Attribute können nur in gewissen Maßen einprogrammiert werden. Gerade das komplexe Zusammenspiel solcher Eigenschaften in der zwischenmenschlichen Interaktion und das Unvorhersehbare sind ein primär menschliches Hoheitsgebiet. Dazu gehören auch Überraschungen und Streit, Ergriffenheit, Trauer, Spontaneität also alles, was echt ist und individuelle Gefühle hervorruft.
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