Wohin geht die World Wide Web-Reise?
Als Veranstalter der DIMA, der in den 90er Jahren größten Direktmarketing Messe in Europa, erinnere ich mich noch sehr genau daran, wie wir Anfang der Neunziger Jahre vom Word Wide Web erfahren und 1993 unsere erste Webseite ins Netz gestellt haben. Mit der Entwicklung des World Wide Web und seinen Browsern hat sich danach die Kommunikation spürbar geändert, auch wenn es in den ersten Jahren noch relativ aufwändig war, Informationen im Internet zu veröffentlichen.
Damals mussten wir unsere Texte zum Beispiel bei Yahoo noch zur Genehmigung einreichen. Viele jüngere Menschen können sich heute nicht vorstellen, dass dies völlig normal war. Der Vorteil einer menschlichen Qualitätskontrolle stieß jedoch sehr schnell an seine Grenzen. Ein solches Vorgehen wäre heute absolut nicht mehr möglich, denn Anfang der Neunziger Jahre gab es einige Tausend Webseiten und heute? … fast 2 Milliarden. Auch wenn Tim Berners Lee als Pionier des Internets und Begründer des World Wide Web einen sehr hohen Anteil an dieser Entwicklung hatte, gab es im Internet einen schlagartigen Zuwachs mit dem Start von Google, die zwar an das Prinzip der ersten Suchmaschine anknüpften, es aber immer weiter perfektionierten – ohne dass Menschen unmittelbar in die entsprechenden Prozesse integriert waren. Jetzt kamen Web-Crawler und Web-Robots ins Spiel. Qualitätssicherung erfolgt seit dieser Zeit über eine mathematische Relevanzprüfung. Hier werden mit statistischen Methoden Zusammenhänge zwischen den Inhalten von Dokumenten und der Häufigkeit der veröffentlichten Wörter errechnet. Auch das ist allen bekannt: Je öfter eine Webseite nach einer Suchanfrage auch besucht wird, desto relevanter wird diese Webseite bei der entsprechenden Eingabe des Suchbegriffs. Die Frage ist nur, wohin geht die Reise in Zukunft? Welche Fragen gilt es jetzt zu klären, um am Ende bei dieser gigantischen Datenmenge noch qualifizierte Ergebnisse zu erzielen … also die Informationen – die im World Wide Web bereitgestellt werden – so aufzuarbeiten, dass jeder Sucher Ergebnisse erhält, die den eigenen Ansprüchen und Erwartungen gerecht werden. Experten gehen davon aus, dass dies über Semantic Web möglich ist und sind davon überzeugt, dass es eben mit diesem Web 3.0 gelingen wird, effizientes und skalierbares implizites Kontextwissen explizit zu codieren.
Eine weitere Herausforderung sind die Sprach- und Bedeutungserklärungssysteme, mit deren Hilfe können formal die Verständniskonzepte und die Bedeutungen von Begriffen spezifiziert werden. Diese Form der Ontologie kann aus einer Hierarchie von sprachlichen Konzepten bestehen. Im Kern geht es nach Prof Dr. Dr. Christoph Meinel, Leiter des Hasso Plattner-Instituts und des Lehrstuhles für Internet-Technologien und Systemen an der Universität Potsdam darum , “die beiden grundsätzlichen Ansätze der Websuche zu verbinden, also zu ermöglichen, dass Webseiten durch Bots nicht nur automatisch kartographiert werden, sondern dass diese auch in der Lage sind mithilfe von semantischen Metadaten das implizierte Wissen in den Informationen explizit und maschinenlesbar zu erfassen.” Auch wenn jetzt schon wesentliche technologische Bausteine wie URI, XML, RDF und LOD zur Verfügung stehen, gibt es seiner Meinung nach noch drei große Herausforderungen (Quelle: FAZ vom 1. August 2022), die angegangen werden müssen.
- Wie werden maschinenlesbare Daten für das Kontextwissen des Semantic Web fortlaufend generiert?
- Noch muss geklärt werden, ob der Ansatz, Wissen über Ontologien zu organisieren, ausreicht, um Welt- und Menschheitswissen über den Globus und die vielfältigen Kulturen hinweg in relevanter Form darzubieten, oder ob alternative Ordnungsverfahren gefunden werden müssen.
- Wie soll zukünftig ein effizientes Daten-Management erfolgen? … denn relevante Daten müssen ja maschinenlesbar in standardisierten Formaten vorliegen, damit sie sinnvoll und effizient verknüpft werden können. Und: wer soll die Führungsrolle hierbei übernehmen? Privatunternehmen? Die Antwort wird sicherlich noch viele Diskussionen erzeug
Welchen Weg auch immer das Word Wide Web gehen wird, die Qualität wird sich in jedem Fall steigern lassen. Und sie muss sich steigern, damit wir in dem Informationsozean nicht unsere Orientierung verlieren.
Spannende Experten zum Thema Innovation und Digitalisierung:
Internet Experte, ehemaliger Google Deutschland-Chef
Direktor des Cybercrime Research Institute
Autor, Blogger, Internet-Unternehmer und Strategieberater
Text: Torsten Fuhrberg, Quelle: Digitec der FAZ vom 1. August 2022